Der erste Tag in Schweden | Offroad-Training | Roadbook Nr. 1 |
Roadbook Nr. 2 | Roadbook Nr. 3 | Ruhetag? |
Roadbook Nr. 4 | Roadbook Nr. 5 | Roadbook Nr. 6 |
Roadbook Nr. 7 | Das war's | Die "Kür" |
Die Teilnehmer |
Heiligabend 1996. Unter all den kleinformatigen Weihnachtsgrüßen fiel mir ein fast riesiger Umschlag auf. Universität Göteborg, stand da als Absender. Aber ich kenne niemanden in Göteborg, und an der Uni grad gar nicht!? Oder Moment mal, Per, den ich bei einem Treffen an Ostern kennengelernt hatte - der war doch aus Göteborg? Richtig geraten. "... und möchte ich Dich noch ganz herzlich persönlich zur Transride dè Schotter einladen ...", inclusive einer Beschreibung dessen, was ich darunter nun zu verstehen hätte. Ich hatte schon gelesen von der Veranstaltung, aber so richtig ins Bewusstsein gedrungen war sie nicht, weil ich vermutete, dass es eine Massenveranstaltung sein würde. Und wer mich kennt, weiss, dass mir Urlaubsfahrten mit mehr als drei Leuten ein Greuel sind, zu deren Teilnahme es einer besonderen Begründung bedarf. Und die war in diesem Falle, dass ich als Skandinavien-Fan noch nie in Schweden war. Und die Tatsache, dass Per mich schliesslich auch kennt. Die erste Aktion im neuen Jahr war also, eine eMail an Per zu schicken: "Ok, ich bin dabei..."
Meine ursprüngliche Planung war, auf dem Landwege über Fehmarn, durch Seeland und Kopenhagen nach Göteborg zu fahren, was nach allen Erfahrungen in einem Tag zu schaffen sein müsste. Aber Per hatte da eine andere Idee: Mit der Nachtfähre von Kiel aus direkt nach Göteborg, und der Raid sollte dann morgens um 10 Uhr im Hafen von Göteborg beginnen. Das hätte dann für mich eine Übernachtung irgendwo in Schweden bedeutet, also entschloss ich mich, auch den Dampfer zu nehmen. Per empfahl eine Vorabbuchung, und das war, wie sich bald herausstellte, eine durchaus gute Idee. Man stelle sich vor: 30 Motorradfahrer fallen auf dem Schiff ein ... Es gab im Vorfeld ein paar Schwierigkeiten, aber mit Hilfe des netten Herrn Höllinger von der Stena- Line hatte es schliesslich doch alles hervorragend geklappt.
Zu fünft machten wir uns also am 9. Juni gegen Mittag von meinem Heim in der Nähe von Hannover auf, trotteten getreu dem Motto "der Weg ist das Ziel" durch die Lüneburger Heide, schenkten uns wegen aufkommendem Regen das Alte Land und standen schliesslich pünktlich eine Stunde vor Abfahrt der Fähre inmitten eines Pulkes von 20 Transalp-Fahrern aus Deutschland und den Niederlanden am Schwedenkai in Kiel. Per, mit Wohnsitz Göteborg nördlichstes Mitglied der Transalpfreunde Deutschland, Organisator des Transride und unser "Chef" für die nächsten 10 Tage, erwartete uns an der Fähre, und Punkt 20 Uhr ging der "Stress" los: Erstes Meeting aller Teilnehmer (ausgenommen diejenigen, die erst in Göteburg zu uns stossen sollten).
Und jetzt sitzen wir in einem der Konferenzsäle auf der Fähre und bringen gemeinsam die vorbereiteten Roadbooks in die endgültige Form, und Per erläutert uns, wie er sich den Ablauf der Tour vorgestellt: "Die ersten beiden Tage werden wir gemeinsam fahren, werden ein Asphalt- und Schottertraining absolvieren, und ab dem dritten Tag wird in kleinen Gruppen von 4-5 Leuten gefahren. Wir werden uns dann nur morgens, abends und eventuell kurz mittags sehen."
Um Mitternacht feiern wir auf dem Sonnendeck mit einigen Magnumflaschen Sekt Piets Geburtstag, während wir die neue Brücke zwischen Jütland und Seeland passieren, und dann geht´s auch bald in die Kojen.
Der erste Tag in Schweden
Schliesslich machen wir uns auf den Weg zu unserem Quartier für die nächsten beiden Tage, der Hütte der Studentenschaft der Chalmers- Universität, zu deren Lehrkörper Per gehört. Es verschlägt uns schier die Sprache ob der romantischen Lage auf einer Halbinsel im Sandsjön, in der Nähe des Dorfes Härryda. "Und wo sind die Duschen?" Was für Duschen? Wir haben doch den See ... Und als Toilette ein "Plumps-Cafe", einen offenen Vierzylinder gewissermassen. Vier Brillen im Karree, mit einem Tisch in der Mitte. Es geht das Gerücht, dass sich zwischen Frühstück und Abfahrt hier diverse Doppelkopfrunden getroffen haben sollen. Und natürlich gibt es eine Sauna, die grösste holzbefeuerte Sauna Skandinaviens, wie Per versichert, und natürlich wird sie ausprobiert. Das anschliessende Abendessen vermittelt uns einen Eindruck davon, was man in Schweden unter gutem Essen versteht: Räucherlachs, Kaviar, Shrimps, Elch- Buletten, gepökeltes Rindfleisch und so weiter und so weiter, zu viel, um alles zu probieren und alles im Gedächtnis zu behalten. Mona, Pers Freundin, und Johan unterhalten uns mit Keyboard und Gitarre, und gemeinsam singen wir alles, was man so kennt und was man nicht kennt - alte Beatles- und Stones- Lieder, noch ältere schwedische Volkslieder, Gospels, Rock´n´Roll ...
Der zweite Tag
Offroad-Training
Abgekämpft fahren wir wieder nach Göteborg, wo wir an einem Kiosk die Göteborger Spezialität probieren, die es sonst nirgends geben soll: Halv Special mit Pucka. Sonst nirgends? Hm, Halv Special sieht einem Hot Dog verzweifelt ähnlich, schmeckt auch so, und hinter Pucka verbirgt sich ein Kakao. Wie auch immer. Schliesslich fahren wir noch auf die Aveny, Göteborgs Prachtstrasse im Centrum Syd, am späten Mittwoch Nachmittag Treffpunkt der Göteborger Biker. Unter den wohl 150 Maschinen, die hier stehen, entdecke ich tatsächlich auch noch eine Transalp. Und weil die Jungs und Mädels nichts besseres zu tun haben, eskortieren sie uns allesamt zurück zum Sandsjön. Zur Rush-hour mit an die 200 Moppeds durch Göteborg? Klar, geht, Kreuzungen werden kurzerhand gesperrt und dabei auch schon mal eine rote Ampel ignoriert. Und keiner regt sich auf. Kurz vor der Hütte verabschieden wir unsere Eskorte, und endlich angekommen, haben wir nichts eiligeres zu tun, als uns aus den durchgeschwitzten Klamotten zu pellen und in den See zu springen. Herrlich!
Auf kleinen asphaltierten Strassen
verlassen wir Härryda zunächst
Richtung Süden, halten uns, nicht nur
heute, streng daran, wenn im Roadbook
"SLOW" steht, es an einem einsam
stehenden Haus vorbei geht. Mit der
Zeit entwickeln wir ein Gespür dafür, ob
so ein einsames Haus bewohnt ist -
immer, wenn die schwedische
Nationalflagge gehisst ist, ist jemand zu
Hause. Und dann tun wir freiwillig
langsamer, schliesslich sollen uns die
Leute nicht als rasende Rüpel in
Erinnerung behalten. Und immer, wenn
wir in der Einsamkeit jemanden treffen,
geht die linke Hand zum Gruss hoch,
und meistens kommt der Gruss auch
zurück.
Nördlich Göteborg treffen wir auf
eine schmale Schotterpiste parallel zu
einer Autobahn, und wir leisten uns ein
Rennen mit den Autos, die dort fahren.
Nun, das ist nicht allzu schwer, denn
auf schwedischen Autobahnen gilt
Tempo 90, aber die Vorstellung, wie die
Autofahrer schauen mögen, wenn an der
Spitze einer riesigen Staubwolke ein
paar Motorräder auf einer Schotterpiste
an ihnen vorbeirauschen, treibt uns
schon ein leichtes Grinsen ins Gesicht.
Vor einer unvermuteten Kurve sehen
wir dann vier lange Bremsspuren in den
Schotter gezeichnet - die Gruppe vor
uns war wohl noch schneller unterwegs
-, aber auch wir müssen heftig in die
Eisen.
In Kungälv, dort wo der Göta älv den
Nordre älv Richtung Meer entlässt und
somit die nördliche Hälfte Göteborgs
genau genommen zu einer Insel macht,
erheben sich auf einem Granithügel die
eindrucksvollen Reste der Bohus
fästning, einer mittelalterlichen
Festung. Eine Besichtigung der Feste
müssen wir allerdings auf einen
späteren Zeitpunkt verschieben, auf
einen anderen Schwedenbesuch.
Eigentlich hatte ich ja noch einmal
dorthin fahren wollen, aber manches
kommt halt anders, als man es sich
vorstellt. Ungefähr entlang der Grenze
der Provinzen (Län) Västergotland und
Bohuslän arbeiten wir uns
hauptsächlich über Schotterpisten in
Richtung Nordosten vor. An der
alten Schleusenanlage zwischen dem Vänern,
mit einer Fläche von 5585 km2 der
drittgrösste Süsswassersee Europas,
und dem Göta älv erwartet uns Per zur
Mittagspause, und wir vernichten die
Reste des gestrigen Abendessens.
Als nächstes steht die Durchquerung
eines Truppenübungsplatzes zwischen
Vårgårda und Herrljunga auf dem
Programm. Man lasse sich das auf der
Zunge zergehen: ein
Truppenübungsplatz, und die einzige
Unsicherheit ist, ob da heute Truppen
üben würden. Dann wäre die Schranke
geschlossen gewesen, und wir hätten
einen anderen Weg nehmen müssen.
Die Schranke ist aber offen, also dürfen
wir durch. Man stelle sich das mal für
den Truppenübungsplatz Bergen oder
irgendeinen anderen in Deutschland
vor! Und dort habe ich tatsächlich ein
Schild gesehen, das besagt, man möge
es doch wegen MotoCross-Aktivitäten
mit 50 km/h gut sein lassen. Ach
Schweden, eins der gelobten Länder der
Endurofahrer... Aber hoppla, was ist
das? Da stehen wir doch plötzlich an
einer Wegekreuzung, die wir in unserem
Roadbook nicht nachvollziehen können.
Haben wir irgendwo einen Fehler
gemacht? Noch mal zurück zum letzten
Punkt - der war ok. Nein, wir sind
richtig gefahren, Per hat sich offenbar
hier verhauen. Wir greifen also auf
"konventionelle" Navigationsmittel,
sprich Karte und Kompass, zurück, und
Andreas speichert die aktuelle Position
sicherheitshalber in seinem GPS. Der
nächste Ort, den wir finden müssen, ist
Grude, was uns auch auf Anhieb gelingt,
und schon haben wir den Anschluss ans
Roadbook wieder gefunden. Ganz knapp
verpassen wir Hedared, wo die einzig
erhaltene Stabkirche Schwedens steht
(hej Per, da hättest Du uns eigentlich
hinführen können ;-) ), und langsam
aber sicher tasten wir uns Richtung
"Heimat", die heute für uns Chalmers
Studentkar Stygan heisst. Der Hintern
tut uns schon rechtschaffen weh, und
nach all der Hitze und all dem Staub
sehnen wir uns nach einem Bad im
Sandsjön.
Über Hyltenäskulle, eine
jungsteinzeitliche Grabanlage, von der
aus man einen herrlichen Blick über
den Öresjön geniessen kann, Toretorp
und Rökås fahren wir nach Överlida, wo
im Överlida Hotell das Mittagessen für
uns bereitsteht.
Und nun geht´s los, jetzt bekommen
wir bewiesen, warum das Roadbook für
heute 52% Schotteranteil aufweist.
Asphaltmässig sind ab jetzt nur noch
kurze Verbindungsetappen zwischen
den Pisten. Die Landschaft gleicht der
in der Lüneburger Heide, auch die
Pisten sehen ähnlich aus: Sandwege,
mehr oder weniger tief. Ich fühle mich
fast zu Hause. Etwas kommt aber noch
hinzu, das ich von zu Hause nicht
kenne, das wir aber seinerzeit in
Slowenien zur Genüge kennengelernt
hatten: fein- bis mittelkörniger, glatter,
bisweilen recht tiefer Schotter, ein
Belag, den wir damals "rolling stones"
getauft hatten. Wie war das doch gleich,
wie kamen wir dem Zeug bei? Genau
wie im Sand - Vorderrad entlasten,
möglichst weit nach hinten in die
Rasten stellen und Hahn auf. Mensch,
Bernd, gib Gaaas! Aber Bernd hat so
seine Probleme mit dem Belag - ich
kann´s verstehen, hatte ich auch
zuerst. Aber mit der Zeit kommt auch
Bernd immer besser mit den "stones"
zurecht.
Irgendwie sind wir froh, als mitten in
der Wildnis ein wahrscheinlich
namenloser See zur Pause lädt. Wir
springen hinein, um den Staub
loszuwerden, und lümmeln uns
anschliessend zum Trocknen auf ein am
Ufer vertäutes Floss. Und weil wir gar
keine rechte Lust haben, diesen
idyllischen und ruhigen Platz zu
verlassen, bekommen wir noch
Gesellschaft von zwei anderen, nach
uns gestarteten Gruppen, die das
Stilleben aus Motorrädern, Fahrern, See
und Floss ebenfalls recht anziehend
finden.
Über Ekefors und Burseryd tasten wir
uns allmählich an unser heutiges Ziel,
den Campingplatz High Chaparal in der
Nähe von Hillerstorp am Rande des
Nationalparks Hädinge heran. Und weil
wir unterwegs so getrödelt haben,
müssen wir jetzt ganz schnell zum
vorbestellten Abendessen in das im
Western-Stil eingerichtete Restaurant
des Platzes eilen. Alles auf diesem Platz
sieht aus wie im Wilden Westen, "Big
Bengt", der Besitzer, muss wohl in
einem früheren Leben mal Cowboy
gewesen sein. Im derzeit real
existierenden Leben, das schon
irgendwas mit achtzig Jahren dauert -
genau weiss das keiner -, war er unter
anderem mal Schrotthändler - und das
merkt man heute noch. In dem Bereich
des Platzes, der von einer wohl 10 m
hohen Büste von ihm beherrscht wird,
kann man alle möglichen und
unmöglichen Arten von mehr oder
weniger altertümlichen
Werkzeugmaschinen und anderem
Zeugs bewundern (und kaufen), und
auch einen original englischen
Doppelstockbus und eine alte Douglas
DC3 gibt es zu besichtigen. Und
irgendwo in einer Ecke liegt ein
ausgemustertes Saab-Jagdflugzeug der
schwedischen Luftwaffe herum....
Natürlich gibt es auch einen stilechten
Saloon - die Typen, die hier
herumlaufen, könnte man
ungeschminkt in jeden x-beliebigen
Wild-West-Film stecken - fehlt nur noch
der Colt im Halfter. Den gibt´s natürlich
auch - als Spielzeug für die Kids. Per
"versaut" aber die Stimmung mit der
trockenen Bemerkung: "Frühstück
morgen um halb acht im Saloon,
Moppeds schon aufgerödelt!" "Och, Per,
muss das so früh sein?" "Ja, die
Instruktoren warten." ---
Instruktoren??? Moment mal, wir sind
doch hier in der Nähe von Anderstorp,
der skandinavischen Grand-Prix-
Rennstrecke. Sollte etwa ...?
Nun aber beginnt der Ernst des
Lebens wieder, 240 km liegen vor uns,
davon 117 km oder 48% auf
Schotterpisten. Immer schön
abwechselnd auf
Schotter und Asphalt
tasten wir uns wieder nach Nordwesten
vor, verlassen zwischen Ötteryd und
Grimsås die Provinz Småland und
befinden uns wieder in Västergötland.
Irgendwann, so gegen 15 Uhr, geht´s
bei mir nicht mehr. Das späte
Zubettgehen gestern, die Hetzerei in
Anderstorp, das konzentrierte Fahren
im ewigen Staub und auch dieser
gemein zerklüftete und steile
Holzabfuhrweg, auf den uns ein
Missverständnis mit unserem Roadbook
gezwungen hatte, fordern ihren Tribut.
Bernd und Klemens nicken Beifall, und
so suchen wir uns eine schöne Stelle
auf einer Waldlichtung, fallen vom
Motorrad und genehmigen uns eine
Stunde Matratzen-, nein,
Waldbodenhorchdienst, derweil Andreas
unseren Schlaf der Gerechten von
einem Hochsitz aus bewacht.
Schliesslich werfen wir noch ein Dope
ein, sprich eine Mineraltablette, und wir
sind wieder fit für den Rest der Strecke.
Auf dem Campingplatz in Askim,
direkt an der Küste am südlichsten
Rand Göteborgs gelegen, ist heute
Abend internationales Abendessen
angesagt. Jeder hatte ja eine Spezialität
aus seiner Heimat mitgebracht, und so
schwelgen wir in holländischem Käse,
türkischen Oliven und getrockneten, in
Öl eingelegten Tomaten, die von Yilmaz
stammen, der zwar in Holland wohnt,
aber eigentlich Türke ist, und
verschiedensten Wurstspezialitäten aus
deutschen Landen. Als Höhepunkt
brutzelt Andreas noch Reibekuchen,
zwar aus schwedischen Kartoffeln und
mit schwedischem Apfelmus, aber das
erhöht nur noch die Internationalität.
Wie sagen die Holländer so schön:
"Lekker-lekker-lekker", und das war
letztlich das Schlagwort der zwei
Wochen.
Käpt’n Hans und Bootsmann Björn
empfangen uns auf der MS Dickson, die
- welche Überraschung - der Universität
Göteborg gehört und normalerweise
dazu dient, angehende
Schiffsingenieure in der Kunst der
Navigation zu unterrichten. Sie ist mit
allem ausgerüstet, was bezüglich
Schiffsnavigation derzeit "State of the
Art" ist - modernstes Radar, GPS
natürlich, und am meisten fasziniert
mich die elektronische Seekarte, die
von einem PC-Bildschirm auf der
Brücke flimmert, die auch jeden noch
so kleinen Huckel ausweist, der aus
dem Wasser schaut und permanent - in
Zusammenarbeit mit dem GPS - die
aktuelle Position graphisch darstellt.
Hans erzählt mir, dass er - nur auf diese
Karte angewiesen - auf 2 m genau
navigieren kann, und demonstriert das
auch gleich, als wir in dem kleinen
Hafen der Insel Styrsö anlegen. Wir
picknicken auf einer Wiese am Hafen,
und schliesslich machen wir uns auf,
die Insel zu Fuss zu erkunden, immer
auf der Hut vor diesen dreirädrigen
Lastenmopeds, die das einzige
Verkehrsmittel hier darstellen, und auf
denen ganze Familien transportiert
werden.
Hans und Björn erwarten uns auf der
anderen Seite der Insel, und weiter
geht’s, etwas auf offene Meer - das
Kattegat - hinaus. Und weil es
mittlerweile doch etwas windig
geworden ist und die See etwas kabbelig
ist, merken wir, dass wir auf einem
Schiff sind, und nicht in einem Bus. In
einem weiten Bogen, vorbei an einem
ehemaligen Semannshospital, geht es
zurück nach Göteborg, wo uns Hans am
Campus der Universität von Bord gehen
lässt. Direkt am Hafenbecken ist ein
Grillplatz, einst aufgebaut von
Studenten, auf dem wir jetzt riesige
Steaks braten, die Per aus einem Auto
gezaubert hat. Ach ja, wenn wir Per und
die Uni nicht hätten ...
Zunächst müssen wir uns durch
Göteborg quälen, um uns dann über
kleine Strassen mehr oder weniger nah
der Küste über Säve, die erste Fähre
dieses Tages über den Nordre älv
hinüber nach Hammar, und Solberga
nach Stenungsund vorzuarbeiten. Hier
biegen wir nach Westen ab und fahren
über die Tjörn-Bron (=Brücke) auf die
Insel Tjörn. Die alte Tjörn-Bron ist am
18. Januar 1980 von einem grösseren
Schiff "abgerissen" worden. Postkarten,
die man im Kiosk am Aussichtspunkt
nahe der Brücke kaufen kann, erzählen
von dieser Katastrophe. Wir besuchen
Klädesholmen an der Südspitze von
Tjörn, einen für seine
Fischkonservenindustrie bekannten
Fischereihafen. Man riecht´s, Cannery Row lässt grüssen! Wir
fahren hinüber nach Orust, die grosse,
nördlich von Tjörn gelegene Insel, und
besuchen Mollösund, noch einen Tick
malerischer als Klädesholmen und ohne
Fischindustrie, aber mit dem gleichen
Fischgeruch gesegnet. Als wir nach der
Mittagspause unter einer alten Eiche zu
Fuss die nähere Hafenumgebung
erkunden, finden wir auch die Ursache
für den Geruch: in grösseren Mengen
hängt hier Stockfisch zum Trocknen
auf hölzernen Gestellen.
Wir verlassen Orust mit der Fähre in
Richtung Malö und Flatön und setzen
schliesslich mit der Fähre nach Lysekill
wieder über aufs Festland. Bei Brodalen
sehen wir die ersten von zahlreichen
bronzezeitlichen Felszeichnungen, die
charakteristisch sind für diese Gegend.
Es sind Bilder von Schiffen, von
Reitern, von Männern mit
überdimensionalem Penis -
Kinder, Frauen, die tägliche Arbeit werden nicht dargestellt.
Man nimmt deshalb an, dass diese Zeichnungen sakralen
Ursprungs sind. Wir
besuchen noch
Smögen, auf einer
kleinen Insel vor Kungshamn gelegen,
das die beiden anderen Häfen an
Malerischkeit noch übertrifft. Aber ach,
was muss ich sehen, jenseits des
Hafenbeckens? Pommesbuden,
Andenkenläden, eine Disco - Touri-
Rummel. Wir haben wohl nur Glück,
relativ früh im Jahr hier zu sein,
deshalb ist es noch recht leer.
Knapp 10 km haben wir jetzt noch zu
fahren, und wir sind an unserem
heutigen Ziel, dem Campingplatz von
Ramsvik, angelangt, wo auch wieder
eine Reihe Hütten auf uns wartet und
eine zweistündige Wanderung über die
wahrhaft beeindruckenden Klippen von
Ramsvik. Der Wettergott, der uns am
Nachmittag doch tatsächlich ein paar
Tropfen Regen auf den Pelz geschüttet
hat, hat ein Einsehen, verscheucht die
Wolken und lässt uns einen selten
schönen Sonnenuntergang erleben,
bevor wir uns dann ans Abendessen
machen, das heute unter dem Motto
steht "Alles, was im Meer krabbelt".
Die Leute vom Bohusläns Museum geben sich viel Mühe mit diesen
Felszeichnungen, die eigentlich keine
Zeichnungen sind, sondern in den Fels geklopt wurden.
Stege wurden über die Felsen gebaut,
damit man alles gut sehen kann, ohne
auf den Felsen herumzutrampeln und
die Zeichnungen damit zu zerstören.
Die Ritzungen wurden mit roter Farbe
ausgefüllt, damit auch das ungeschulte
Auge sie entdecken kann. Einige hat
man im Originalzustand belassen, und
in der Tat, man muss schon sehr genau
hinsehen, damit man sie erkennt.
An einer Stelle, dicht bei
Tanumshede, direkt an der
Staatsstrasse 163 gelegen, hat man eine
Art Museumspfad um die grösste dieser
Anlagen gebaut, und hier hat man auch
einige Zeichnungen mit Planen und gar
Sand abgedeckt, um sie der Nachwelt zu
erhalten. Noch viel beeindruckender
empfinde ich persönlich allerdings die
hier ebenfalls zu sehenden eiszeitlichen
Gletscherschrammen; so schön hatte
ich sie bisher noch nie gesehen.
Das Mittagessen ist heute für uns im
Restaurant und Hotel Gestgiferi in
Tanumshede bestellt, einem
offensichtlich wirklich vornehmen
Laden mit weiss-beblusten und
schwarzberockten Kellnerinnen, einem
Oberkellner im schwarzen Anzug mit
Fliege, der alles aus dem Hintergrund
lenkt, edlem Porzellan, Glas und
Besteck auf dem Tisch. Und mittendrin
29 dreckige Endurofahrer, was aber
niemanden hier zu stören scheint. Ach,
die Welt ist schön.
Auf zum Endspurt. Es geht weiter
nach Norden, vorbei an weiteren
Felszeichnungen, und bei Vassbotten
überqueren wir die Grenze nach
Norwegen und verlassen somit das
Gebiet der EU. Der Grenzübergang ist
unspektakulär, irgendwo an der Strasse
steht ein kleines Schild, das die Grenze
kennzeichnet, das war´s. Und die
Strassenmarkierungen sind plötzlich
gelb. Wir schauen uns den Eigåfossen
an, einen kleinen Wasserfall, der den
nördlichsten Punkt des Transride
markiert, einen eigentlich eher
unspektakulären Fall, wenn man
Latefossen und andere kennt, aber
immerhin, ich bin mal wieder in
Norwegen und sehe einen norwegischen
Wasserfall.
Bald kehren wir wieder zurück in die
EU und belegen unsere Hütten auf dem
Campingplatz von Vassbotten, direkt
am Ufer des Bullaresjön, mit Beschlag.
Plötzlich Aufregung, alles rennt zum
Eingang. "Ej, was´n los?" "Da vorn soll
´n Elch sein!" Ein ELCH? Wo ist meine
Kamera? Im Tankrucksack. Und wo ist
der? Aeh - noch am Mopped. Und wo ist
mein Mopped? Achja, da steh ich ja
grad vor. Ich schnappe Kamera und
Teleoptik und schliesse mich dem
allgemeinen Gerenne an. Im Laufen
wechsele ich das Objektiv, und
tatsächlich, da steht, 100 m entfernt,
in einem lichten Birkenhain, eine
Elchkuh. Ich kann gerade noch ein Foto
schiessen, dann zieht sich die Dame,
offensichtlich irritiert über das
Interesse an ihrer Person, ins Dickicht
zurück. Ich denke mir, dass sie Hunger
hat, und dass sie, wenn der Rummel
vorbei ist, wohl wiederkommen wird.
Während die anderen zum Kanufahren
gehen, bewaffne ich mich also mit
Kamera und Fernglas, umgehe das
Dickicht grossräumig im Wald, wobei
ich auf einige alte Bunker stosse - wir
sind ja an der Grenze zu Norwegen -,
und schleiche mich gegen den Wind an
den Birkenhain. Und richtig,
da steht
sie, in aller Ruhe Grünzeug rupfend und
genüsslich kauend. Meter um Meter
arbeite ich mich vorsichtig vor, bis ich
es bei 20 m Entfernung gut sein lasse.
So ein Elch ist verdammt gross, und
weiss der Kuckuck, wie er reagiert,
wenn ich noch näher komme. Auch
wenn dieses Exemplar kein Geweih hat,
sicher ist sicher. Eine halbe Stunde bin
ich mit dem Elch allein, er sichert nur
manchmal zu mir herüber, wenn der
Verschluss der Kamera klickt, und erst
als von der anderen Seite jemand mit
Getöse durch den Hain poltert, zieht er
indigniert wieder ab.
Als ich wieder zurück bin im Camp,
trudeln auch die anderen langsam
wieder ein, und plötzlich steht Per
mitten unter uns, in jeder Hand je
einen riesigen Lachs. Das Hallo ist
gross, schnell ist ein passender Grill
organisiert und Klemens, unser genialer
Chef dè cuisine (muss ja mal gesagt
werden), wird mit der Garung der
Viecher beauftragt. In irgendeiner Hütte
wird ein Fuder Kartoffeln, die zu
Pellkartoffeln werden sollen, in Töpfe
geschüttet, und Randal bereitet ein
tolles Dressing aus Crème fraiche, Senf
und Honig.
Den Abend beschliessen wir beim
Lagerfeuer auf den Klippen im
Bullaresjön, und wir stossen mit einer
Flasche schwedischem Absolut Vodka
auf Hans´ Geburtstag an.
Wir lernen heute, dass die
schwedischen Erdstrassen lange nicht
so rutschig sind, wie sie bei Nässe
aussehen. Finde ich jedenfalls, und ich
finde, dass sich meine Kombination aus
Dunlop K560 vorn und Bridgestone
TW42 hinten wieder einmal wacker
schlägt, wie auch in all den
vergangenen Tagen bisher. Egal ob
Cross-Piste, Sandweg, grob- oder
Feinschotter, Asphalt- oder Erdstrasse
oder Rennstrecke - mit den Reifen
hatte ich nie ein ernsthaftes Problem.
Schliesslich ist diese Kombination ja
auch aus der Erfahrung aus 160.000
Transalp-km (mit der gleichen
Maschine, wohlgemerkt!) entstanden.
Probleme gibt´s eigentlich nur im tiefen
Matsch, aber den hatten wir hier nicht.
Ich liebe Motorräder ohne
Reifenbindung!
Im Roadbook ist in der Nähe von
Stensryr Pause an einer grossen
Sandkuhle angegeben, mit der
Bemerkung, dass man da fahren darf,
wenn nicht gearbeitet wird. Nun, da
unten kurvt ein Radlader rum, aber so
toll sieht das von hier oben auch nicht
aus. Da muss also noch was anderes
sein, und bald haben wir den alten Teil
entdeckt, in dem uns kein Radlader bei
unserem
dreckigen Tun stört. Randal,
von Beruf Fotograf, bekommt diverse
Kameras in die Hand gedrückt, und
während wir mehr oder weniger
professionell die Steilauffahrt meistern,
macht er professionelle Fotos.
Weiter geht´s Richtung Südosten, bis
wir bei Nordkroken in der Nähe von
Vänersborg, von wo man einen schönen
Ausblick auf den Vänern hat, den Platz
für unser Mittagspicknick erreichen.
Eigentlich hätte es Hot Dogs geben
sollen, aber weil´s immer noch regnet,
werden aus den heissen eben kalte
Hunde. Kurz bevor wir weiterfahren
wollen, hat Petrus ein Einsehen. Auf der
Stelle wird der "Instant-Grill"
angeworfen, und wir bekommen doch
noch etwas Warmes in den Bauch.
Im weiteren Verlauf berühren wir
einen Ort namens Tyskorna, übersetzt
die "Deutschinnen" (so steht´s
jedenfalls im Roadbook). Warum der Ort
so heisst? Niemand weiss es, vielleicht
mag es ja mal jemand herausfinden.
Am Ufer des Anten, eines etwas
grösseren Sees, gibt´s in einem
rustikalen Cafè Kaffee und Kuchen, den
wir jetzt auch dringend brauchen. In
der Nähe liegt die ehemalige Burg eines
Riesen hoch über dem Anten, zu
erreichen durch eine schmale
Felsspalte. Das Roadbook empfiehlt,
einen Stock mitzunehmen. Wir wissen
zwar nicht so genau, was wir da machen
sollen, aber wir tun es. Der sagenhafte
Hintergrund ist folgender: In
vorchristlicher Zeit hatte der Riese
Åland sich eine Elfe gefangen, die er zu
seiner Frau machen wollte. Die Elfe
fand das allerdings überhaupt nicht
witzig, und nach einiger Zeit und
etlichen fehlgeschlagenen Versuchen,
sich zu befreien, versuchte sie es mit
einem Sprung von der Bastion in den
Anten, den sie allerdings laut der Sage
nicht überlebte. Und was hat das nun
mit dem Stock auf sich? Es gibt zwei
Versionen: Die erste ist, dass der Stock
als Anerkennung für die Elfe dienen
soll, die zweite besagt, dass der Stock
dazu dient, den Riesen zu veranlassen,
einen wieder aus seiner Burg zu
entlassen. Auf jeden Fall muss man den
Stock in der Burg lassen. Wir taten es,
und wir konnten die Burg durch den
Felsspalt auch wieder verlassen.
Natürlich konnten wir es, andernfalls
könnte ich Euch nicht mit diesem
Bericht nerven.
Am Sandsjön schliesslich und
unserer Lieblingshütte angekommen,
hatte ein hilfreicher Geist - Riese oder
Elfe, egal - schon die Sauna angeworfen,
was diesem Geist, bzw. seiner
Inkarnation Stefan oder Bettina, ebenso
egal, ein durchaus reales und verdientes
Extra-Bier einträgt.
Die nächste Sektion kennen wir
schon vom Roadbook Nr. 3, da, wo es
uns auf diesen Holzabfuhrweg
verschlagen hat, den wir diesmal aber
wohlweislich meiden. Nach dem letzten
Regen sieht er, zumindest für
Maschinen unseres Kalibers, fast
unpassierbar aus. Es gibt hier aber noch
einen anderen Rundkurs, den wir mit
grösstem Vergnügen befahren, und wir
verlassen den Wald durch eine
Steilabfahrt innerhalb eines
Steinbruchs. Und weils so schön war,
drehen wir gleich um und fahren noch
einmal hoch ...
Das heutige Mittagessen ist für uns
im Restaurant des Campingplatzes von
Holsljunga bereitet, und als Hauptgang
gibt es Elchbraten. Wie war doch das
Schlagwort? "Lekker-lekker-lekker!"
Weiter geht es über Schotterpisten
und kleine Waldwege wieder Richtung
Westen. Einmal ist ein Weg mit einem
Stacheldrahtgatter versperrt; wir
denken uns, dass ein Bauer hier sein
Vieh laufen lässt. Da wir keine
Alternative sehen, öffnen wir das Gatter
kurzerhand und fahren durch, natürlich
nicht ohne es ordnungsgemäss wieder
zu schliessen. Wir fahren und fahren,
bis wir schliesslich wieder auf eine
Asphaltstrasse stossen, ohne das
Gegenstück des Gatters gefunden zu
haben. Merkwürdig.
Wir treffen uns schliesslich alle
wieder in Fjärås Bräcka, dem Ort, von
dem aus man den und die See sehen
kann, und fahren gemeinsam nach
Askim.
Mona überrascht uns zum
Abendessen mit Kartoffelauflauf und
einer Art "gelben Grütze" aus
nordischen Beeren, und Mike brutzelt
noch ein paar Pfannkuchen zusammen.
So richtig fröhlich sind wir heute
abend nicht, denn ...
Auch wir werfen
unseren Grill an und vertilgen zu den
Steaks die übriggebliebenen
Pellkartoffeln und Erdbeeren. Per hatte
uns gezeigt, wo heute abend die
Mittsommernachtsfete steigen sollte
mit Tanz rund um den
blumengeschmückten Mittsommer-
nachtsbaum. Wir gehen zum Festplatz,
und sind etwas enttäuscht: eine Boys
Group spielt die Hitparade von heute
rauf und runter, und man verlangt 80
Kronen - glatte 20 Mark - Eintritt. Da
lehnen wir dann doch dankend ab. Statt
dessen bewaffnen wir uns jeder mit ein
paar Büchsen Falcon 3.5 und ziehen
hinaus auf die Klippen. Falcon 3.5 - das
ist die 3.5 Alkohol-Prozente-Version
des Falcon Bieres, ein Luxus, den wir
uns zur Feier des Tages gegönnt haben.
Der halbe Liter kostet immerhin 9
Kronen, etwas über 2 Mark. Alkohol ist
in Skandinavien eben teuer.
Am späten Samstagvormittag
verlassen uns Heike und Cookie
Richtung Vättern - die Gruppe wird
immer kleiner. Am Nachmittag fahren
wir noch einmal nach Göteborg hinein -
die Stadt wirkt wie ausgestorben, die
meisten Geschäfte sind geschlossen.
Wir finden ein geöffnetes Cafè, trinken
einen Kaffee, essen von diesen herrlich
süssen kleinen Kuchen, und dann wird
es auch für mich Zeit, auf der Stena-
Fähre nach Kiel einzuchecken.
Der dritte Tag
Roadbook Nr.1: Sandsjön - Sandsjön
Der vierte Tag
Roadbook Nr.2: Sandsjön - High Chaparall
Der fünfte Tag
Roadbook Nr.3: Von High Chaparal
nach Askim
Der sechste Tag
Ruhetag
Der siebte Tag
Roadbook Nr. 4: Von Askim nach
Ramsvik
Der achte Tag
Roadbook Nr.5: Von Ramsvik nach
Vassbotten
Der neunte Tag
Roadbook Nr. 6: Von Vassbotten zum
Sandsjön
Der 10. Tag
Roadbook Nr.7: Vom Sandsjön nach
Askim
Das war´s
Die "Kür"
Wieder zu Haus
Die Teilnehmer
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*
***
Joscha *
Piet Johan Leen
Ron Henny Malu Bernd
* Stefan Bettina Andreas
Mike Wouter Yilmaz
Heike Rolf Markus Christa
Michael Hans Dirk
Reiner Randal
Deti
Erik
Conny
Klemens
Carsten
Per
Das Land
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